1967 – „The Family Way“

familyway

The Family Way

Original Soundtrack Recording

Veröffentlicht:  6. Januar 1967
LP: Decca SKL 4847 (England)
CD: Varése Sarabande VSD-7095

Titel:
Love In The Open Air (13 Variationen)

Paul McCartney veröffentlichte wie auch John Lennon und George Harrison seine ersten Gehversuche als Solist zu Zeiten, als die Beatles als Gruppe noch existierten. Allerdings war er der erste Beatle, der ein solches Unternehmen wagte. Es handelt sich bei „The Family Way“ um die Musik zu einem britischen Film, der auch heute noch ab und zu im deutschen Fernsehen unter dem Titel „Honigmond 67“ gezeigt wird. Die im Arbeitermilieu angesiedelte Komödie weist einige interessante Charakterstudien auf und thematisiert die Schwierigkeiten und Hindernisse, die mit einer Heirat verbunden sein können.

Die Regisseure des Films, die Brüder Roy und John Boulting, wendeten sich im Spätsommer 1966 direkt an Paul McCartney, um diesen zu bitten, für ihren Film die Musik zu schreiben. McCartney willigte ein und komponierte ein schönes Leitmotiv, für welches er sich eine Reihe von Variationen überlegte (eigentlich waren es zwei Leitmotive, die sich dann „Love In The Open Air und „Theme From The Family Way“ nannten). Wie auch bei den Beatles nicht anders üblich, bekam George Martin anschließend die Aufgabe, entsprechende orchestrale Arrangements zu schreiben. Im Oktober 1966 entstanden dann die Aufnahmen unter der Generalaufsicht von George Martin, aber unter der Leitung des renommierten Dirigenten Neville Marriner, in den Londoner CTS Studios. Ausführende Musiker waren die „Tudor Minstrels“, aber auch das George Martin Orchestra nahm im Dezember 1966 für eine Singleveröffentlichung neu arrangierte Versionen von „Love In The Open Air und „Theme From The Family Way“ auf. Das alles geschah übrigens zu einem Zeitpunkt, als Paul McCartney in unmittelbarer Nähe der Abbey Road Studios (Cavendish Avenue) ein Haus kaufte und darüber hinaus auch ein Stück Land in Campbeltown, Schottland. Beides Orte, die für McCartneys kommende Karriere als Solokünstler später große Bedeutung erlangten.

Der Soundtrack von „Family Way“ mag heute etwas antiquiert wirken, doch gerade das macht seinen Reiz aus. Über allem schwebt das „Swinging Sixties“-Flair, man denkt unwillkürlich an Serien wie z.B. „The Avengers“ („Mit Schirm, Charme und Melone“). Wenn man es genau nimmt, handelt es sich nicht ausschließlich um Variationen von „Love In The Open Air“, sondern auch um ein weiteres, mehrmals wiederkehrendes Motiv, das gleich zu Beginn auftaucht. Es ertönt zunächst isoliert eine Kirchenorgel, die sich dann entsprechend der Hochzeitszeremonie mit feierlichen Bläsereinsätzen abwechselt. Immer dann, wenn die Blechbläser in Aktion treten, nimmt das Sück etwas mehr Fahrt auf – nicht zuletzt durch den Einsatz eines Schlagzeugs. Im nächsten Cut setzen die Bläser ihr Spiel fort, bevor in der zweiten Hälfte dieser Passage ein verhaltenes Streichquartett erstmals das Leitmotiv „Love In The Open Air“ erklingen lässt. Etwas beschwingter, aber mit ähnlicher Instrumentierung geht es weiter. Plötzlich setzen ein prägnanter Bass und ein Schlagzeug ein und sorgen für einen atmosphärischen Wechsel. Die vierte Passage vereinigt ruhige Streicher und Bläser, die kurzzeitig wieder einer Variation von „Love In The Open Air“ Platz machen, bevor eine jazzige E-Gitarre zu Variation Nummer fünf überleitet. Dieser mit 3:26 Minuten längste Abschnitt der 13 Variationen beginnt mit einer gezupft gespielten spanischen Gitarre, die dem Leitmotiv eine neue Klangfarbe zuordnet. Nach etwa einer Minute vermischen sich Streicher und Flöten bzw. Klarinette, bevor eine Gitarre in eine freiere Passage überleitet, die am Ende wieder in „Love In The Open Air“ mündet. Variation sechs ist zwar etwas kürzer (2:58), allerdings hören wir hier den einzigen Cut dieser Filmmusik, in der das Hauptthema durchgängig gespielt wird.

Nun beginnt etwas völlig Neues: Das Leitmotiv wird von einer Beat-Band-Besetzung interpretiert. Im Anschluss daran scheint uns Variation acht zurück zum Barock zu führen. Hier erklingt übrigens erstmals eine Reprise des zweiten markanten Motivs, das zu Beginn des Albums zu hören war. Cut neun katapultiert uns wieder in die Sixties. Beim Hören dieser bluesigen Beat-Band-Fassung kann man sich bildhaft Szenen aus Mike Myers moderner Sixties-Agenten-Parodie „Austin Powers“ vorstellen. Danach vernimmt man eine Passage mit unisono g“Love In The Open Air“espielten Bass- und Gitarrenlinien. Dann Bläsereinwürfe, bei denen der Posauneneinsatz eine tragende Rolle spielt und einen Übergang schafft zu Streichern, die in einer eher verstörenden Atmosphäre wieder einmal „Love In The Open Air“ hörbar werden lassen. Dies setzt sich in Variation elf fort, wobei es allerdings nicht lange dauert, bevor wieder versöhnlichere, kontemplative Töne wiederkehren. Im vorletzten Cut nimmt eine Gitarre das „kleine Leitmotiv“ aus Nr. 1 und 8 wieder auf und umrahmt das von einem kleinen, aus Streichern und Holzblasinstrumenten bestehende Ensemble, das erneut für ein Wiedererkennen von „Love In The Open Air“ sorgt. Zum Finale erklingen feierliche Bläser, die begleitet von Schlagwerk beide Leitmotive miteinander verbinden.

„The Family Way“ ist sicher das rarste und am meisten gesuchte Soloalbum McCartneys. Erfolglose „Jäger“ konnten sich 1995 freuen, als eine Neuaufnahme dieser Filmmusik auf CD erschien (siehe „Bits And Pieces“). Doch von Sammleraspekten abgesehen zeigt „The Family Way“ eines ganz deutlich: Der für seine semi-klassischen Songs („Yesterday“, „For No One“, „Eleanor Rigby“) bekannte Paul McCartney deutet hier an, dass er das Klassik-Genre nicht nur als nette Abwechslung und Spielerei betrachtet. Im Herbst seiner Künstlerlaufbahn nimmt er mehrfach und ernsthaft diese Leidenschaft wieder auf. „The Family Way“ ist sicher kein Meisterwerk, doch kann innerhalb seines historischen Kontextes verstanden, für ungetrübtes Hörvergnügen sorgen.

Anspieltipps:

„Love In The Open Air“-Variationen 1, 6, 7, 13

Bewertung:


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