„Das kleine Beatles-Buch“

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Das kleine Beatles-Buch

Autor: Hervé Bourhis

Erstveröffentlichung: 26. November 2010
160 Seiten, Broschur, 19×19 cm
Carlsen Comics, Hamburg
ISBN 978-3-551-75047-1
Preis: 19,90 €

 

Man kennt das aus der Filmbranche: Das comichaft gezeichnete Storyboard illustriert die vom Drehbuch vorgegebene Handlung und stellt die Grundlage für den geplanten Film dar. Der Franzose Hervé Bourhis kehrt dies um: Er nimmt sich der gewissermaßen schon abgedrehten Historie der Beatles an und bebildert diese zeichnerisch im Comic-Stil.

Bourhis, in der Vergangenheit schon mit dem „Prix René Goscinny“ ausgezeichnet und als Autor des in gleicher Weise kreierten „Kleinen Rockbuchs“ in Erscheinung getreten, nähert sich der Beatles-Geschichte mit einem nicht unoriginellen Ansatz.

„Das kleine Beatles-Buch“ mit seinen 160 Seiten kommt in einem Format daher, das in etwa den Maßen einer Vinyl-Single entspricht. Der Zeichner, der sich selbst als McCartney-Fan bezeichnet, hat von historischer Einbettung über die musikalische Entwicklung bis hin zu biografischem Klatsch und Tratsch eine Menge recherchiert. Sein „Storyboard“ lässt er nicht mit der Trennung der Beatles enden, sondern setzt die Geschichte bis in die Gegenwart fort und bietet so auch einen unterhaltsamen Blick auf die Lebensläufe der Ex-Beatles.„Das kleine Beatles-Buch“ stützt sich auf eine Unmenge bekannter Fotos, die Bourhis in einem Stil umgesetzt hat, der sich zwischen Karikatur, schneller Kritzelei und expressiv gestalteter Tuschezeichnung bewegt. Selbst die abgebildeten Plattencover vom Beatles-Erstling „Please Please Me“ bis hin zu Paul McCartneys Filmsong „(I Want To) Come Home“ (2009) sind gezeichnete Abbilder der Originale und als einzige Ausnahmen in Farbe gehalten.

Hervé Bourhis hat sich entschieden, alle im Buch präsentierten Veröffentlichungen der Beatles und der späteren Solisten zu bewerten. Dabei gibt es nicht etwa eine Sternchen-Skala, sondern die berühmten Stiefel der Liverpooler – die sogenannten Beatle Boots. Natürlich fußen Bewertungen immer auf subjektiven Meinungen, aber Bourhis kommt hier nicht gerade selten zu eigenartigen Resultaten. Es gibt Alben, denen Bourhis nicht mal einen Stiefel zubilligt, andere hingegen bekommen die Höchstwertung von fünf Stiefeln und manchmal sogar einen obendrauf. Durchweg sehr gut (außer „Yellow Submarine“ mit 3/5) kommen die Beatles-Singles und Alben weg. Bei den Soloproduktionen kommt es mitunter zu nicht nachvollziehbaren Bewertungen wie 5+1 Stiefel für das egozentrische Soundchaos von John und Yokos Nackidei-Album „Two Virgins“. Nur einen von fünf Beatle Boots gibt es für McCartneys selbst von der Musikkritik gelobte Werk „Tug Of War“ (1982), zwei Stiefel für Ringo Starrs großen Wurf „Ringo“ (1973). Gar kein Schuhwerk erhalten die „Anthology“-Songs „Free As A Bird“, „Real Love“ und alle Ringo Starr-Alben von „Ringo’s Rotogravure“ bis „Old Wave“ und alle Veröffentlichungen des ehemaligen Beatles-Drummers nach „Time Takes Time“ (1992). Zugegeben, die meisten dieser Veröffentlichungen waren alles andere als gute Alben, aber diesen nicht einmal einen Gnadenpunkt zu gönnen oder nur blanken Hohn dafür übrig zu haben, das ist bei allem Sinn für Humor schon ein wenig zu hart. Bei „Rotogravure“ setzt der Autor sogar noch einen drauf: Hier wird lediglich eine Coverabbildung gezeigt und der aus der Drucktechnik stammende Begriff (Rotationstiefdruck) erklärt, was das Album mit Ignoranz straft. Darüber lässt sich wirklich nur kurz schmunzeln.

Doch welches Album findet Gnade in den Augen des angeblichen McCartney-Fans Hervé Bourhis? Sind es die gelungenen „Flowers In The Dirt“ (1989) oder „Flaming Pie“ (1997)? Nein. Gerade mal zwei bzw. drei Treter. „Press To Play“ sowieso nicht: zéro point. Nein, die Höchstwertungen werden an „McCartney“ (1970), „Ram“ (1971) sogar mit Zusatzstiefel, „Band On The Run“ (1973) und nicht ganz unverdient an „Chaos And Creation In The Backyard“ (2005) vergeben.  Fantum bedeutet nicht, per se alles gut zu finden, doch die seltsamen Bewertungskriterien des Monsieur Bourhis könnten seitenweise kritisch kommentiert werden.

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Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen des „Kleinen Beatles-Buchs“ vermitteln einen nicht ganz einheitlichen Eindruck. Mal wirkt der Strich sehr sicher und gibt überzeugend die Charakteristika der jeweils dargestellten Person wieder. An anderer Stelle glaubt man Bilder eines Schülers vor sich zu haben, der sich abmühte, eine Fotovorlage möglichst realistisch umzusetzen. Das Ergebnis wirkt so durch unverhältnismäßige Proportionen oder eigenartige Perspektiven manchmal unfreiwillig komisch.

Leider haben sich auch einige Fehler im Druck eingeschlichen. So ist z.B. die Coverabbildung der „Strawberry Fields Forever/Penny Lane“-Single mit „Paperback Writer/Rain“ beschriftet. Unangenehm fällt auch auf, dass viele Texte (vorwiegend bei weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund) so klein und dünn gedruckt sind, dass man sie ohne Lupe kaum entziffern kann.

Es ist aber auch nicht immer ganz verlässlich recherchiert worden. Den in den Promotionclips zu „Paperback Writer“ und „Rain“ erkennbaren abgebrochenen Zahn McCartneys erklärt Bourhis mit einem Fahrradunfall. Tatsächlich verunglückte der frühere Beatles-Bassist mit dem Moped. Den berühmt-berüchtigten „Mad Day Out“ der Beatles verlegt der Autor vom 28. Juli auf den 30. August 1968. Oder noch mal Paul McCartney: Dessen einzigen Sohn James tauft der Autor kurzerhand in Jesse um. Das mögen zwar Peanuts sein, die nur den Freaks unter den Fans auffallen, doch unterm Strich sind dies Dinge, die man durchaus vermeiden kann.

Fazit: „Das kleine Beatles-Buch“ von Hervé Bouhris ist sehr unterhaltsame Lektüre, die sich im Grunde in einem Rutsch weglesen lässt. Insbesondere für nicht gerade lesewütige Neu-Fans ist das Buch sicherlich ein guter Weg, sich einen schnellen Überblick über die Geschichte der Beatles zu verschaffen – mit dem faden Beigeschmack, dass die doch sehr eigenwillige Bewertung des Katalogs der Ex-Beatles möglicherweise in die Irre führen kann.

Dem durch jahrelanges Studium von Biografien und Anthologien geschulten Fan hingegen werden Fehler auffallen. Klar. Insbesondere die Beurteilungen des Werkes der Ex-Beatles werden für heftiges Stirnrunzeln sorgen. Auch klar. Dennoch bietet „Das kleine Beatles-Buch“, das erfreulicherweise nicht mit dem Jahr 1970 endet, ein kurzweiliges Lesevergnügen für eine breit gefächerte Zielgruppe. Das Storyboard der (Ex-)Beatles hat nach wie vor ein offenes Ende.

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