1975 – „Venus And Mars“

Venus And Mars

Veröffentlicht:  30. Mai 1975
LP: Capitol 1C 062 – 96623 (Deutschland)
CD: EMI 0777 7 89241 2 8 (Digitally Remastered)

Titel:
Venus And Mars / Rock Show / Love In Song / You Gave Me The Answer / Magneto And Titanium Man / Letting Go / Venus And Mars (Reprise) / Spirits Of Ancient Egypt / Medicine Jar / Call Me Back Again / Listen To What The Man Said / Treat Her Gently (Lonely Old People) / Crossroads
Bonus Tracks auf der remasterten CD: Zoo Gang / Lunch Box – Odd Sox / My Carnival

Mit einem sowohl kommerziell als auch künstlerisch erfolgreichen Album im Rücken stürzte sich Paul McCartney zu Beginn des Jahres 1974 in die Produktion eines Albums für seinen Bruder Michael (der sich in McGear umbenannt hatte, um Verwechslungen mit seinem berühmten Bruder zu vermeiden). Das später veröffentlichte Album „McGear“ zählt zu den interessantesten Nebenprojekten McCartneys, da er nicht nur mehrere Songs dafür schrieb, sondern auch die Wings als Begleitband verpflichtete (siehe „Bits And Pieces“). 1974 war aber auch das Jahr, in welchem die Rufe nach einer Beatles-Reunion immer lauter wurden. Alles begann Mitte Februar mit dem „Melody Maker“, auf dessen Titelseite „Beatles Get Together!“ prangte. Es war die Rede von geheimen Verhandlungen aller vier ehemaligen Beatles in New York um ein neues gemeinsames Album. Die Ex-Beatles selbst hielten die Gerüchteküche warm, indem sie weder dementierten noch zustimmten.

Ungeachtet der fortgesetzten Reunion-Diskussion begannen die Wings im März 1974 mit neuen Proben. Diese wurden kurz darauf von einem Aufenthalt der McCartneys in Los Angeles unterbrochen. Dort kam es tatsächlich zu einer Begegnung mit John Lennon, in deren Folge sogar neue, eher enttäuschende Aufnahmen enstanden. Auch ein Besuch bei „Beach Boy“ Brian Wilson war geplant, doch das kalifonische Musik-Genie lebte derzeit völlig zurückgezogen und litt unter Drogenkonsum und Depressionen. Paul und Linda hämmerten an Wilsons Tür, doch ein leises Wimmern war das einzige, was sie von Brian Wilson vernahmen. Zurück in London beginnt das Wings-Trio mit Vorspielterminen für einen neuen Schlagzeuger. Von fünfzig Kandidaten blieb einer übrig: Geoff Britton. Als Leadgitarrist wurde schließlich der 21-jährige Jimmy McCullough verpflichtet, der schon bei den „McGear“-Sessions dabei war und dessen ehemalige Band „Stone The Crows“ sich nun endgültig getrennt hatte. Mit dieser Besetzung ging es am Vortag von Paul McCartneys 33. Geburtstag wieder in die USA – dieses Mal nach Nashville. Dort nahmen die Wings eine ganze Reihe neuer Titel auf: „Junior’s Farm“, „Sally G“, „Walking In The Park With Eloise“, „Bridge Over The River Suite“, Hey Diddle“, „Send Me The Heart“, „Proud Mum“ und „Wide Prairie“. Auch erste Demos wurden eingespielt, auf deren Basis etwa ein Jahr später das Album „Venus And Mars“ entstand. Im Juli nahm Paul im Alleingang am Piano weitere Demos auf, darunter auch Songs, die erst viel später veröffentlicht wurden (z.B. „Mull Of Kintyre“, „Million Miles“ oder „Rockestra Theme“)

Für ein geplantes „Live im Studio“-Album (und Film) spielten die Wings in den Londoner Abbey Road-Studios im August 1974 diverse Stücke ein. Doch das ambitionierte, „One Hand Clapping“ genannte Projekt wurde nie veröffentlicht. Im Oktober erschien dann mit „Junior’s Farm / Sally G“ die erste Wings-Single der neuen Wings-Formation. Einen Monat später begannen dann die Aufnahmen für „Venus And Mars“, zunächst wieder in den Abbey Road Studios und anschließend – bis in den Februar 1975 hinein – in New Orleans. Nach nur zwei aufgenommenen Songs in Allen Toussaints Sea Saint Studio quittierte Geoff Britton vollkommen unerwartet seinen Dienst für die Wings. Übergangsweise wurde der New Yorker Drummer Joe English angeheuert. Paul McCartney war von diesem jedoch schwer beeindruckt, so dass Joe English nun festes Wings-Mitglied wurde. Die mittlerweile fünfte Inkarnation der Wings war geboren, von der viele sagen, es hätte weder vorher noch danach eine bessere gegeben.

Die ruhigen, von Akustikgitarren und Flöten getragenen Klänge von „Venus And Mars“ eröffnen das gleichnamige Album. Dieses kurze Stück und das nahtlos folgende, gewaltig losrockende „Rock Show“ passt nicht nur aus dramaturgischen Gründen gut an den Anfang des Albums, sondern wurde von Paul McCartney mit der Absicht komponiert, damit die Konzerte der geplanten Welttournee zu eröffnen. Der Text von „Venus And Mars“ beschreibt, wie ein Rockfan in einer großen Arena darauf wartet, dass seine favorisierte Band endlich ihren Auftritt beginnt. Das Saallicht senkt sich und die farbigen Bühnenscheinwerfer kommen zum Einsatz:

„Sitting in the stand of the sports arena
Waiting for the show to begin.
Red lights, green lights, strawberry wine
A good friend of mine, follows the stars
Venus and mars are alright tonight.“

Während der Anfang noch recht klar zu deuten ist, lassen die letzten beiden Zeilen zumindest zwei Interpretationen zu. Der „gute Freund“ könnte der Rockfan sein, der seinen Stars auf Tournee folgt. Es könnte aber auch jemand sein, der sich für Astronomie interessiert. Auch lassen sich Parallelen zur griechischen Mythologie ziehen. McCartney hat jedoch in Interviews bestritten, dass der Song bzw. der Albumtitel mit der symbolischen Bedeutung von Venus (Liebesgöttin) und Mars (Kriegsgott) zu tun hat. Die Wahrheit ist – wahrscheinlich, da offiziell (noch) nicht bestätigt – viel spektakulärer. Eine verlässliche Quelle gibt an, dass das erste Demo von „Venus And Mars“ den Titel „Yoko And John“ trug. Es entstand am 19. Dezember 1974 in New York, genau einen Tag nachdem sich Paul McCartney im dortigen Plaza Hotel mit George Harrison getroffen hatte. Bei dieser historischen Begegnung unterzeichneten Harrison und McCartney das geschäftliche Ende der Beatles-Partnerschaft (Ringo Starr hatte seine Unterschrift bereits in London geleistet). In letzter Minute sagte John Lennon ab, da Yoko Onos Astrologe von diesem Termin abriet. Statt dessen schickte das Paar, dessen zweitweilige Trennung sich dem Ende zuneigte, einen Luftballon mit dem Aufdruck „Listen to this balloon“. Daran hing ein Kärtchen mit der schlichten Botschaft „Yoko and John are allright tonight“. Paul McCartney begann mit dem Schreiben des Songs, während er auf John Lennon wartete, und beendete ihn am selben Nachmittag. Dies waren die originalen Songzeilen (vgl. offizielle Version oben):

„Sitting in the suite of the Plaza hotel
Waiting for the end to begin
Bloody papers, strawberry line
A good friend of mine, follows the stars
Yoko and John are alright tonight.

Slebstverständlich ist hier das Ende der Beatles gemeint, die Vertragsunterlagen, die Beziehung zu John, die astrologische Durchkreuzung des Treffens und möglicherweise auch eine Anspielung auf Strawberry Fields. Wie auch immer: Der Titelsong ist vorzüglich mit „Rock Show“, dem mitreißendsten Rocker des Albums verbunden worden. In „Rock Show“ nennt McCartney Orte von rockhistorischer Bedeutung:

„If there’s a rock show
At the Concertgebouw
They’ve got long hair
At the Madison Square
You’ve got Rock and Roll
At the Hollywood Bowl.“

Im Amsterdamer Concertgebouw spielten die Wings 1972. Ein Jahr zuvor fand im New Yorker Madison Square Garden George Harrisons legendäres „Concert for Bangla Desh“ statt (die Wings sollten hier erst im Mai 1976 auftreten) und mit den Beatles spielte McCartney 1964 und 1965 in der Hollywood Bowl (Los Angeles). Auch der übrige Text schildert überzeugend die elektrisierende Spannung vor und während eines Rockkonzertes. Da meint z.B. ein freudig erregter Konzertbesucher im Dunkel der Bühne eine Gitarre zu erkennen, die modellgleich auch vom Led Zeppelin-Gitarristen Jimmy Page benutzt wird. Dann beginnt der Auftritt und das Weiße in den Augen der Fans ist Beleg genug, dass es nun einen ordentlichen Adrenalinschub gibt. Etwas rätselhafter scheint dann der Mittelteil, eine Art „Hard Rock-Reggae“, in dem der Ich-Erzähler beschreibt, wie er sich im grünen Metallic-Anzug und Ring durch die Nase bereit macht für’s Nachtleben. „Rock Show“ klingt mit einem etwa einminütigen Jam-Session-Ausschnitt aus, in dem erneut das von McCartney gespielte Piano dominiert. Schon nach diesen zwei Songs ist klar: Das „Venus And Mars“-Album hat weit mehr Band-Charakter, als es bei „Band On The Run“ der Fall war. Im Verbund sind „Venus And Mars“ und „Rock Show“ der unumstrittene Höhepunkt des Albums.

Gerne berichtet Paul McCartney davon, dass sich ihm die Melodie von „Yesterday“ im Traum offenbarte. Ähnlich verhält es sich mit „Love In Song“. Dieser Titel flog ihm nur so zu, als er Ende 1974 mit einer 12-saitigen Gitarre in den Abbey Road-Studios saß. Melodie und Text wurden gewissermaßen aus dem Stand komponiert. Zu einer wunderschönen Melodie gesellt sich ein überaus melancholischer Text, in dem der Protagonist mit Wehmut der vergangenen Liebe hinterhertrauert. Kaum vorstellbar, dass dieses Stück autobiografische Züge trägt. Viel mit seiner Persönlichkeit zu tun hat allerdings „You Gave Me The Answer“. Paul McCartney hatte stets ein Faible für die Songs der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Nicht zuletzt die Kindheitserinnerung an den Klavier spielenden Vater und die Radiosendungen des BBC Home Service sind dafür verantwortlich, dass McCartney nostalgische Songs schrieb wie „When I’m Sixty-Four“ oder „Honey Pie“. Immer wieder taucht auch später dieser Stil in der Karriere des Ex-Beatles auf. So auch auf „Venus And Mars“. Begeistert von Fred Astaire, der Billy Cotton Band Show und Cole Porter schrieb Paul McCartney „You Gave Me The Answer“ – eine den Vorbildern durchaus ebenbürtige Nummer, die er sogar ins Konzertrepertoire der Wings übernahm. Tragende Instrumente sind hier McCartneys Piano und die Bläsergruppe. Eine solche Nummer in Zeiten von Hard Rock und Glam Rock zu veröffentlichen, war mutig. Doch Paul McCartney scherte sich nicht darum und machte das, was er für richtig hielt.

„Magneto And Titanium Man“ schrieb McCartney während eines längeren Urlaubs auf Jamaica. Dort kaufte er sich jeden Samstag im Supermarkt Comics. Als 11-jähriger meinte Paul, Comics entwachsen zu sein. Nun, etwa zwanzig Jahre später fand er wieder Gefallen an den Geschichten um Helden und Schurken. Die Inspiration zu diesem Song kam auf diese Weise von einem Marvel-Comic. „Spider Man“-Erfinder Stan Lee entwickelte ebenfalls die Figuren Magneto und Titanium Man. Auch der im Song auftauchende Crimson Dynamo ist den Marvel Comics entliehen. Bei McCartney geht es darum, dass die drei Super-Schurken den Erzähler zu überzeugen versuchen, dass dessen Freundin (eine Vertreterin des Gesetzes) einen Bankraub verhindern will. Der Ich-Erzähler mag das nicht glauben, doch als sie bei der Bank ankommen, sehen sie, dass seine Herzdame selbst im Begriff ist, die Bank zu überfallen. Musikalisch ist „Magneto And Titanium Man“ Rockpop in Reinkultur – vom stetig pulsierenden Keyboard, über den schön arrangierten Harmoniegesang bis hin zum knackigen Gitarrensolo von Jimmy McCulloch.

Wie schon mit „Let Me Roll It“ beim Vorgängeralbum gibt es auf „Venus And Mars“ auch ein an John Lennons rotzigen Gitarrenstil erinnerndes Stück: „Letting Go“. Der Song gehört zu dem Besten, was „Venus And Mars“ zu bieten hat. Der Songtext ist vergleichsweise belanglos. Das Stück lebt von einem unglaublich coolen Groove, effektvoll eingesetzten Bläser-Attacken und von einem erneut überzeugenden Solo Jimmy McCullochs.

Im CD-Format geht es als Track 7 ein wenig unter, doch in der Schallplatten-Version wird der konzeptuelle Charakter von „Venus And Mars“ deutlicher. Beide LP-Seiten werden vom Song eröffnet, der dem Album seinen Namen gab. „Venus And Mars“ erklingt als erstes Stück der B-Seite mit mehr Echo auf McCartneys Stimme (passend zur „hall of the great cathedral“) und einer traumartigen Gesamtatmosphäre. Dieses Mal scheint es klar zu sein: Der Protagonist befindet sich nicht in der Konzerthalle und wartet auf seine Stars, sondern auf ein Raumschiff, das ihn zu den Sternen transportiert.

„Standing in the hall
Of the great cathedral
Waiting for the transport to come
Starship 21ZNA9.“

Nahtlos geht es in „Spirits Of Ancient Egypt“ über. Hinter dem mystischen Titel, inspiriert durch die Lektüre eines Buches über Ägyptens große Pyramiden, verbirgt sich ein weiterer klassischer Wings-Rocker. Der surreale Songtext gibt wenig Aufschluss über dessen ultimative Aussage, doch McCartney verwendet eine bildhafte Sprache, die seine Dichtung interessant hält („spirits of ancient egypt“, „shadows of ancient Rome“ oder „echoes of sunken Spain“). Den Gesang teilt sich Paul McCartney hier mit Denny Laine, der einige Solopassagen vorträgt. McCartney unterstrich damit sein Vorhaben, die Wings als eine Gruppe gleichberechtigter Mitglieder zu etablieren.

Munter rockend stellt sich ein weiteres Wings-Mitglied vor: Jimmy McCulloch interpretiert „Medicine Jar“, seinen Song über Drogenmissbrauch. Schon bei den Nashville-Sessions machte McCulloch die Wings mit dem Song bekannt. Paul McCartney gefiel das Stück und versprach, dass es für das kommende Album aufgenommen werden sollte. In „Medicine Jar“ steckt bittere Ironie. Die 70er Jahre waren noch nicht zuende, als der talentierte Jimmy McCulloch selbst Opfer einer Heroin-Überdosis wurde und nur 26-jährig am 27. September 1979 verstarb.

In „Call Me Back Again“ zeigt Paul McCartney seine wohl beste rockige Gesangsleistung seit „Oh! Darling“ („Abbey Road“, 1969). Auch wenn sich seine Stimme manchmal zu überschlagen scheint, ist die Darbietung überaus eindringlich. Hier geben sich leidenschaftlicher Gesang, hervorragendes Bläserarrangement, eine damit korrespondierende Sologitarre und eine intelligente Songsstruktur die Klinke in die Hand. McCartney begann die Komposition in New Orleans und vollendete sie während eines Aufenthalts im Beverly Hills Hotel. McCartney begann mit diesem Song unmittelbar nach der gemeinsamen Session mit John Lennon, Harry Nilsson, Stevie Wonder, Jesse Ed Davis und Bobby Keys (Ende März 1974, s.o.). Als er das Grundgerüst von „Call Me Back“ fertig hatte, spielte er es John Lennon vor. Dieser mochte den Song, und die beiden Ex-Beatles beschlossen, sich im August 1974 in New Orleans zu treffen um „Call Me Back Again“ als Duett aufzunehmen. Sogar eine darüber hinaus gehende Zusammenarbeit war nicht ausgeschlossen. Leider kam es nicht dazu.

Während bis dahin hochklassige Rocksongs und wohlgeratene Balladen das Gesamtbild des Albums dominieren, sorgt „Listen To What The Man Said“ nun für einen gewissen Bruch. Dieser reine Popsong erreicht zwar nicht die Wertigkeit und Tiefe des übrigen Materials und wirkt ein bisschen oberflächlich nach „Tralala“, ein Vorwurf, den sich McCartney in seiner Solo-Karriere nicht selten anhören musste. Doch es ist einer der Songs, die sich sofort im Gehörgang einnisten und nicht wieder weg wollen. Nicht umsonst wurde der Titel als Single ausgekoppelt und erreichte mühelos Platz 6 in England und Platz 1 in den amerikanischen Charts. Bei der Aufnahme des Songs schien Paul McCartney lange unzufrieden mit dem Ergebnis. Erst als der (auch für George Harrison tätige) Saxophonist in einem Take ein hervorragendes Solo einspielte, passte alles zusammen.

Kein McCartney-Album ohne die große finale Ballade – so auch auf „Venus And Mars“. „Treat Her Gently – Lonely Old People“ entstand aus zwei Songfragmenten, wobei McCartney lange Zeit mit dem Zusammenfügen der Teile große Schwierigkeiten hatte, da sie sich in verschiedenen Tonarten befanden. Die Art und Weise, wie die Songs dann verwoben wurden, lässt kaum Gedanken an die problematische Entstehungsgeschichte aufkommen. Das melancholische Lied thematisiert das Alter und die mit dem Lebensabend drohende Vereinsamung, Gebrechen und Entfremdung. Ein Sujet, das McCartney bereits als 24-jähriger mit „Eleanor Rigby“ aufgriff („Revolver“, 1966). Doch im Unterschied zu seinem Beatles-Klassiker ist in „Treat Her Gently – Lonely Old People“ der alte Mensch nicht alleine. Gemeinsam mit seinem Lebenspartner trotzt er den Widrigkeiten. Eine Aussicht, die sich Paul McCartney sicher gerne für sich und seine Frau Linda gewünscht hat. Eher aus einer Laune heraus wurde noch eine instrumentale Wings-Version der englischen Seifenoper „Crossroads“ angehängt. Diese Serie war in England besonders bei älteren Leute beliebt. Insofern passt „Crossroads“ doch wieder ausgezeichnet hinter „Treat Her Gently – Lonely Old People“. Doch wer das nicht weiß, wird „Crossroads“ sicher für ein kleines, aber feines McCartney-Original halten. Vergleicht man das harmlose Original mit der Wings-Interpretation, so wird der Klassenunterschied schnell deutlich. Irgendwann entschieden daher die Macher der Serie, dass die Wings-Version das Original ersetzen soll. Auf diese Weise wurde „Crossroads“ für begrenzte Zeit das meistgespielte Stück von „Venus And Mars“.

Die Bonustracks des Albums bestehen zunächst aus dem eher unbedeutenden Instrumental „Zoo Gang“ (mit Akkordeon und nervigem Synthesizer), das für eine englische TV-Abenteuerserie vorgesehen war und dem etwas interessanter gestrickten, ebenfalls instrumentalen „Lunch Box / Odd Sox“ (Piano als Leitinstrument). Paul McCartney hat „Lunch Box / Odd Sox“ als ersten Song bezeichnet, der in New Orleans aufgenommen wurde. Ebenfalls aus der Zeit in New Orleans stammt „My Carnival“, das offensichtlich vom berühmten Karneval (Mardi Gras) der Südstaatenmetropole inspiriert wurde. Fotos belegen, dass die verkleideten McCartneys am 11. Februar 1975 Mardi Gras unsicher machten. Einen Tag später versammelten sich die Wings im Studio, erhielten dabei Unterstützung von den Musikern George Porter und Benny Spellman (The Meters) und nahmen in lärmender Partystimmung den Professor Longhair (bedeutender Pianist aus New Orleans) gewidmeten Titel „My Carnival“ auf. Für das Album „Venus And Mars“ war dieser Song jedoch nie vorgesehen. Er erschien erstmals offiziell als B-Seite der 1985er McCartney-Single „Spies Like Us“.

„Venus And Mars“ wurde wie „Band On The Run“ an einem ungewohnten, ja fast exotischen Ort aufgenommen. Auch wenn man beiden Alben dieses eigentlich nicht anhört, so hat das fremde Ambiente McCartney in seiner Kreativität doch beflügelt. Wie das Vorgängeralbum erreichte „Venus And Mars“ sowohl in England als auch in den USA Platz 1 der LP-Charts. Die Kritiker hingegen waren eher geteilter Meinung und monierten McCartneys Stilmix. Doch genau das ist seine Stärke und der Quintessenz des „Venus And Mars“-Albums. Es zeigt Teile von McCartneys vielfältigen Einflüssen, seine Virtuosität als Musiker bzw. Sänger und sein Freude am Spiel mit verschiedensten Genres.

War der letzten LP ein Poster noch beigelegt, stattete man das „Venus And Mars“-Album noch opulenter aus. Es war nicht nur als Klappcover gestaltet, das ein schönes Panoramafoto enthielt, das die Wings in einer Wüstenlandschaft zeigt, sondern enthielt zwei Poster, ein bedrucktes Innencover und in der Erstauflage zwei Aufkleber.

Anspieltipps:

Venus And Mars – Rock Show / Letting Go / Call Me Back Again / Treat Her Gently – Lonely Old People

Bewertung:

Pressestimmen:

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