2009 – Venedig: Meeting Giles Martin

Italienische Reise 2009

Wings Over Venice … Revisited oder „Excuse me, are you Giles Martin?“

(Text + Fotos: © Ansgar Bellersen – Verwendung nur mit ausdrücklicher Genehmigung)

 

Im Mai 2001 unternahmen meine Frau und ich unsere erste gemeinsame Reise nach Italien. Eine Woche verbrachten wir in Florenz und eine weitere an der toskanischen Küste. Trotz des nach einer Woche erlittenen Diebstahls unserer beiden Koffer haben wir Italien sehr genossen und zu einem unserer Lielingsziele auserkoren. Italien 2001 hatte nur einen kleinen beatlestechnischen Bezug. In Lucca gelang es mir, einem Plattenhändler einen groflen Wingspan-Aufsteller abzuschwatzen. Praktisch zeitgleich – also auch im Mai 2001 – hatte sich George Harrison zusammen mit seiner Frau Olivia in der Toskana aufgehalten, um sich von einer Lungenoperation zu erholen. Ihn traf ich (natürlich) nicht an. Damals wusste man wohl, dass Harrisons Gesundheitszustand ernst war, aber zu diesem Zeitpunkt war noch nicht alle Hoffnung verloren. Dennoch war George Harrison ein halbes Jahr später tot.

Für die Herbstferien 2009 suchten wir uns (diesmal mit Sohnemann) ein Ziel aus, von dem wir schon lange träumten: Venedig, die Lagunenstadt. Gehört und gelesen hatten wir schon viel davon, auch spielen nicht wenige unserer Filmfavoriten dort, so z.B. „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ mit Donald Sutherland und Julie Christie oder auch „Casino Royale“, der erste Bond-Film mit Daniel Craig. Wir fanden nach langer Recherche eine schˆne und vor allem zentrale 60 qm-Wohnung nahe der Rialto-Brücke. Die Beatles waren auch auf dieser Reise nat¸rlich eine Nebensache, aber irgendwie lässt sich fast jeder Ort auf der Welt mit den Beatles verknüpfen. Sprechen wir von den Ex-Beatles, so war Venedig für Paul McCartney von besonderer Bedeutung. Gut sechseinhalb Jahre nach dem Beatles-Ende gab er zusammen mit seiner Band Wings am 25. September 1976 auf dem Markusplatz ein aufsehenerregendes Konzert. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich McCartney endgültig als Solist etabliert und konnte auf eine Reihe von ¸beraus erfolgreichen Singles und Alben zurückblicken. Die Wings waren fast ununterbrochen ein Jahr auf Tour – auch „Wings Over The World“ bezeichnet. Sie begannen 1975 in England, zogen anschlieflend durch Australien, setzten die Auftritte in Europa fort, spielten in den grˆflten Hallen der USA und kehrten schliefllich wieder nach Europa zurück. Am 24. September 1976 kamen Paul, Linda, deren Kinder und der Rest der Band in Venedig an und gönnten sich zunächst eine Sightseeing-Tour per Gondel.

Wingspan_Venedig_600

Schön anschaulicher Ausschnitt aus dem „Wingspan“-Buch:
Die Gondel-Wings (linke Seite) und der sich allmählich füllende Markusplatz – fotografiert vom Campanile des Piazza San Marco.

Venedig_Markusplatz_600

So präsentierte sich uns der Markusplatz am 06.10.2009
In etwa der Blick von der Wings-Bühne in Richtung Markusdom und Campanile.

Der Auftritt der Wings  war ein Benefizkonzert zugunsten der UNESCO (die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) und hatte den Sinn und Zweck, Gelder für den Erhalt der historischen Bauten Venedigs zusammenzutragen. Bevor die Wings auftraten, gab es eine Woche lang Wohltätigkeitskonzerte und Events, so z.B. auch mit Ravi Shankar und Peter Ustinov. Die Show der Wings wurde zu einem großen Erfolg und zog ungefähr 15.000 Zuschauer an – bei einem Ticketpreis von damals umgerechnet ca. 30 DM. Ironischerweise richtete McCartney genau dort Schaden an, wo er verhindert werden sollte. Die tonnenschwere  Bühnentechnik der Wings verursachte eine Absenkung des Markusplatzes. So spendete Paul McCartney nicht nur die kompletten Einnahmen, sondern kam auch für alle Transport- und Logistikkosten auf.

 

Setlist des Wings-Konzertes in Venedig am 25. September 1976:

1. Venus And Mars / Rock Show
2. Jet
3. Let Me Roll It
4. Spirits Of Ancient Egypt
5. Medicine Jar
6. Maybe I’m Amazed
7. Call Me Back Again
8. Lady Madonna
9. The Long And Winding Road
10. Live And Let Die
11. Picasso’s Last Words
12. Richard Cory
13. Bluebird
14. I’ve Just Seen A Face
15. Blackbird
16. Yesterday
17. You Gave Me The Answer
18. Magneto And Titanium Man
19. Go Now
20. My Love
21. Listen To What The Man Said
22. Let ‚em In
23. Time To Hide
24. Silly Love Songs
25. Letting Go

Zugaben:
26. Band On The Run
27. Hi, Hi, Hi
28. Soily

_______________________________________________________

Die Vorstellung, dass an diesem Ort vor 33 Jahren eines der ungewöhnlichsten McCartney-Konzerte stattfand, das war schon ganz nett. Die Besichtigung des Markusplatzes war aber unabhängig davon einfach atemberaubend, zumal wir in dieser Urlaubswoche großes Glück mit dem Wetter hatten. Schlichtweg umgehauen hatte mich am selben Tag (06.10.) aber ein Ereignis, dass ein paar Stunden zuvor stattfand.

Es war kurz nach 10:00 Uhr als wir gerade unser Haus in der Calle dei Boteri verließen. Ziel war der Markusplatz. Frau und Kind waren schon um die Ecke gebogen, als ein Mann an mir vorbeiging, der mir seltsam bekannt vorkam. Und obwohl der Groschen fiel, als wir aneinander vorbeiliefen, hielt ich kurz inne, drehte mich anschließend um und brachte die eine Frage hervor, die man stellt, wenn einem in einer solchen Situation eben nichts anderes einfällt: „Excuse me, are you Giles Martin?“. Der hochgewachsene Mann, der in Begleitung einer dunkelhaarigen Schönen war, drehte sich um und grinste: „Yes, I am.“ — Da hatte ich also den Sohn des Beatles-Leib-und-Magen-Produzenten George Martin und zweifachen Grammy-Gewinner vor mir, der von seinem schon länger stark hörgeschädigten Vater mittlerweile das Zepter übernommen hat. Er taucht zwar nur als Co-Produzent auf, es ist aber anzunehmen, dass Giles Martin den Löwenanteil der Arbeit am Beatles/Cirque de Soleil-Projekt „LOVE“ übernommen hat.

LOVE_Giles_Martin_600

Gut, schnell Gedanken sortieren. Was jetzt? Ohne zu sehr den Einschleimer zu geben erklärte ich ihm, wie sehr ich seine Arbeit an „LOVE“ schätze – auch wenn im Moment (auch bei mir) die Remasters für mehr Aufregung sorgen. Und als Giles Martin sich darüber freute und mich fragte, wie mir Venedig gefiele, stammelte ich mir aufgeregt ein paar Sätze zusammen und fragte dann, ob er mit einem gemeinsamen Foto und einem Autogramm einverstanden wäre: „Of course, no problem!“

giles_martin_treffen_06-10-2009

Venedig, Calle dei Boteri, 06.10.2009
Gemeinsames Foto mit Giles Martin

giles_martin_signatur_06-10-2009

Als ich Giles Martin beim Schreiben beobachtete, merkte ich überrascht an, dass er eine ganz ähnliche Handschrift wie sein Vater habe – worauf er augenzwinkernd erwiderte, dass ich nicht der Erste sei, der ihn darauf aufmerksam mache.

Nach der Verabschiedung von dem netten Kerl musste ich zusehen, dass ich meine Kleinfamilie nicht aus den Augen verlor. Aber die Beiden kennen das schon, wenn ich – meist fotografierend – noch an der einen oder andere Stelle verweile und so waren sie auch diesmal nicht all zu weit entfernt. Als ich von meiner unglaublichen Begegnung erzählte, staunten sie auch nicht schlecht. Ich selbst war natürlich eine ganze Zeit lang ganz aufgeregt vor Begeisterung und auch in Zukunft wird das Treffen mit Giles Martin immer ein ganz großes Highlight unserer Italien-Reise 2009 bleiben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert