“Ja, ich war ein Teil der Beatles. Ja, wir haben ein paar großartige Platten zusammen aufgenommen. Ja, ich liebe die Jungs. Aber das war’s dann auch.”
Ringo Starr, bürgerlich Richard Starkey, war nie ein Mann der großen Worte. Aber auch er bildete direkt nach der Trennung keine Ausnahme, wenn es darum ging, Stellung zu beziehen zur erfolgreichen Zeit mit den Beatles. Dieser Teil der Vergangenheit war abgeschlossen, man ging auf Distanz und eine Wiedervereinigung war völlig ausgeschlossen.
Bei kompositorischen Fähigkeiten, wie John Lennon, Paul McCartney aber auch George Harrison sie besaßen, war der Beatles-Split zwar eine einschneidende Zäsur, jedoch alles andere als eine Sackgasse. Musiker wie sie hatten immer eine Perspektive. Bei Ringo Starr war das anders. Er war die gute Seele der Band, ergänzte in hervorragender Weise das Persönlichkeits-Spektrum der Gruppe und war zwar kein technisch versierter, aber dafür ungeheuer gefühlvoller Schlagzeuger mit einem einzigartigen Stil. Doch als Songschreiber – er brachte es bei den Beatles gerade mal auf zwei Kompositionen – blieben seine Fähigkeiten bis heute limitiert. So war der Kollaps der Beatles im Jahr 1970 für Ringo Starr besonders schwer zu verkraften.
Produktiv war Ringo trotzdem und vermochte es in den frühen 70er Jahren sogar kommerziell zu überraschen. Neben ersten Engagements als Schauspieler (“Candy”, 1968 und “The Magic Christian”, 1969) präsentierte Starr im Jahr 1970 gleich zwei (kommerziell unbedeutende) Soloalben. Da war zunächst einmal “Sentimental Journey”, eine Kollektion alter Standards aus dem Jazz, Swing und Schlager vergangener Jahrzehnte. Schon damals galt für Ringo: “With A Little Help From My Friends”. Produktion und Arrangements besorgten alte Freunde: George Martin, Paul McCartney, Klaus Voormann oder auch Maurice Gibb. Nur ein paar Monate später erschien “Beaucoups Of Blues”, ein Ausflug in die Nashville-Szene – begleitet von hochkarätigen Countrymusikern.
Im Frühjahr 1971 hatte Ringo Starr seinen ersten Erfolg als Solokünstler. Der mit großer Unterstützung von George Harrison entstandene Song “It Don’t Come Easy” schaffte es sowohl in England als auch in den USA bois auf Platz 4. Die nächste Zeit widmete sich Ringo verschiedenen Projekten. So wirkte er mit bei George Harrisons “Concert For Bangla Desh”, drehte mit “Blindman” einen weiteren Film, übernahm den Part von Uncle Ernie in einer Neuaufnahme der Rockoper “Tommy” von Pete Townshend und nahm mit “Back Off Boogaloo” eine weitere Hitsingle auf.
1973 war ein bedeutendes Jahr in der Geschichte der Ex-Beatles. Ringo Starr gelang es, für sein neues Album “Ringo” alle ehemaligen Beatles auf einer Platte zu vereinen. Die Einspielungen fanden zwar nicht direkt im Quartett statt, aber es war immerhin so etwas wie eine halbe Reunion und bot den Medien und Fans genug Anlass für weitere Spekulationen. “Ringo” gilt bis heute allgemein als das überzeugendste Soloalbum Starrs. Der Nachfolger “Goodnight Vienna” war nach ähnlichem Muster gestrickt, konnte allerdings nicht ganz an den immensen Erfolg anknüpfen. Doch während “Goodnight Vienna” noch respektable Verkäufe erzielte, lagen die nachfolgenden fünf Alben wie Blei in den Regalen. Sogar das Mitwirken von Paul McCartney und George Harrison auf “Stop And Smell The Roses” im Jahr 1981 führte nicht zu besseren Verkaufszahlen. Ständige Vertragsquerelen mit den zuständigen Plattenfirmen (Polydor und Epic) und der mittlerweile erworbene Ruf Kassengift zu sein, hatten zur Konsequenz, dass “Old Wave” (1983) neben ganz wenigen anderen Ländern nur in Deutschland und Kanada erschien. Fans aus England und USA mussten sich das Album umständlich über den Import beschaffen.
1987 befand sich Ringo Starr für neue Studioaufnahmen in Memphis. Alkoholexzesse und Streitereien mit dem Produzenten zwangen Ringo, eine Veröffentlichung mit allen Mitteln zu verhindern. Die Krise spitzte sich zu, als Ringo und seine Frau Barbara, seit 1981 verheiratet, einsehen mussten, alkoholkrank zu sein. 1988 nahmen sie an einem sechswöchigen Entzug in Tucson / Arizona teil. Nach erfolgreicher Therapie sprühte Ringo vor Tatendrang. Im Sommer 1989 setzte er seine Idee um, mit befreundeten Musikern auf eine “All Starr”-Tournee zu gehen, bei der jeder Musiker für ein paar Songs im Rampenlicht steht. Dieses Konzept führt Ringo bis heute fort. In wechselnden Besetzungen geht regelmäßig eine “All Starr Band” auf Tour. In Deutschland gab es 1992 und 1998 Gastspiele. Am erfolgreichsten verlaufen die Konzerte allerdings in den USA, so dass Europa in der jüngsten Vergangenheit unberücksichtigt blieb.
Seit dem 1992er Comeback mit “Time Takes Time” sind auch Ringos Studioalben wieder auf höherem Niveau. Mastermind hinter den letzten Veröffentlichungen ist der Musiker und Produzent Mark Hudson, der zusammen mit den “Roundheads” für Ringo maßgeschneiderte Songs kreiert, bei denen Ringo vermehrt sogar selbst als Komponist tätig ist. Ein schönes Beispiel für die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen Ringo und den “Roundheads” ist das Fernsehspecial “VH-1 Storytellers”. Alte und neue Songs von Ringo werden hier authentisch und dynamisch zum Vortrag gebracht – eine Qualität, die die oft holprig und altbacken klingenden Auftritte der “All Starrs” nie erreichen.
Doch Ringo scheint sein Leben zu genießen, so wie es ist. Er geht stramm auf die 70 zu, schwört auf sein Lebensmotto “Peace And Love” und wirkt fit und unternehmungslustig wie lange nicht mehr. Selbst wenn er nicht wie Paul McCartney zur Riege der Megastars gehört: Studioalben erscheinen nun in kürzeren Abständen, ohne dabei merklich an Qualität zu leiden, die nächste All-Starr-Tour lässt nie lange auf sich warten und auch mit für ihn eher ungewöhnlichen Projekten wie Computerkunst macht Ringo Starr von sich reden.
Gegen Ende des ersten 2000er-Jahrzehnts trennte sich Ringo nach guten Alben wie “Vertical Man” oder “Ringo Rama” von den Roundheads. Aufgrund des relativ abgenutzten und offenbar nur für das amerikanische Publikum überzeugende All-Starr-Konzepts wäre es wünschenswert gewesen, wenn Ringo Starr mal als alleiniger Star(r) eine Tour mit den “Roundheads” gewagt hätte. Doch nun beschreitet der frühere Beatles-Drummer einen neuen Weg: Ein Abschieds-Livealbum mit den Roundheads wurde im 2007 veröffentlicht. Anfang 2008 erschien ein unter der musikalischen Leitung von Dave Stewart (Ex-Eurythmics) entstandenes Studioalbum, das nach dem Postcode des Liverpooler Bezirks Dingle, in dem Ringo aufwuchs, benannt wurde: “Liverpool 8″. Einige unglückliche Äußerungen und Aktionen Ringos im Zusammenhang mit seiner Liverpooler Vergangenheit und seiner Ankündigung, keine Autogramme mehr zu schreiben, sorgten zu dieser Zeit unter den Liverpudlians und auch unter Fans für Unverständnis und Ablehnung. Doch auf lange Sicht nehmen die Fans Ringo Starr nichts übel. Er hat nicht die große Gefolgschaft eines Paul McCartney, verfügt jedoch über ausreichend Sympathiewerte und Spaß am Musizieren, um weiterhin Soloalben zu veröffentlichen (zuletzt „Ringo 2012“) und – vorzugsweise in den USA – mit seinen wechselnden All Starrs durch die Konzerthallen zu ziehen.