YESTERDAY & Heute: Paul McCartney

YESTERDAY & Heute: Paul McCartney

Eine Hommage in Songs, Worten und Bildern

Volker Rebell & Freunde
(The Lonely Hearts Club Band, The Beatles Revival Band, The Batles, Paul Vincent, Matthias Frey)

Erstveröffentlichung: 6. Juni 2017
Hörbuch mit 5 CDs (42 Songs, Gesamtspielzeit 6 Stunden und 20 Minuten)
Lesebuch (272 Seiten)
Diskographiebuch (420 Seiten)

Cover Artwork: Klaus Voormann

Text: Volker Rebell
Musik: The Lonely Hearts Club Band, The Batles, Paul Vincent & Band, Matthias Frey & Volker Rebell, The Beatles Revival Band & Orchestra
Sprecher: Werner Reinke, Moritz Stoepel, Volker Rebell

ISBN: 978-3-9815456-0-9
Preis: 119,80 €

 

Es ist nicht überliefert, was am 18. Juni 2017 anlässlich seines 75. Geburtstages auf Paul McCartneys Gabentisch gelegen hat. Doch wäre dieses umfangreiche multimediale Box-Set dort platziert gewesen, dann hätte man mit Fug und Recht von einem würdigen Geschenk sprechen können. Aber ob es dem Ex-Beatle rundum gefallen würde? Auch das weiß man nicht. Doch eines ist klar und somit schon das vorweggenommene Fazit: „YESTERDAY & Heute: Paul McCartney“ würdigt zwar den früheren Beatle und heute noch erfolgreich aktiven Künstler als Ausnahmeerscheinung der Musikwelt, spart allerdings auch nicht mit Kritik. Im Gegenteil: Wenn das letzte Lob noch nicht ganz verklungen ist, folgt oftmals schon der nächste kritische Blickwinkel. Jeder potenziell an dieser Veröffentlichung interessierte Fan muss bereit sein, dies auszuhalten. Doch eines nach dem anderen:

Das genüssliche Öffnen und andächtige Präsentieren einer aufwendigen, neu erschienenen Publikation wird heutzutage auf YouTube mit sogenannten Unboxing-Videos zelebriert. Auch „YESTERDAY & Heute: Paul McCartney“ würde sich durchaus dafür eignen. Stolze 119,80 Euro sind fällig, wenn man sich dieses ehrgeizige Werk zulegen möchte. Wenn auch für so manche Zeitgenossen an dieser Stelle eine Schmerzgrenze überschritten sein mag, so bekommt man doch eine ganze Menge geboten. Aus dem hochformatigen, stabilen Schuber schälen sich die drei Bestandteile. Da ist zunächst eine nach links und rechts aufklappbare Faltbox, die die fünf Hörbuch-CDs und ein entsprechend eingeheftetes Booklet aufnimmt. Auf 31 Seiten finden sich neben genauen Angaben zum Inhalt der CDs ein einführendes Vorwort und informative Porträts aller Mitwirkenden dieser Veröffentlichung. Volker Rebell, seines Zeichens beliebter Moderator und Autor beim Hessischen Rundfunk und Verfasser des empfehlenswerten Beatles-Buches „Die Beatles 1968 – Das Weiße Album“ (2008) kann bei „YESTERDAY & Heute: Paul McCartney“ in der Tat auf viele unterstützende Freunde zählen. Der prominenteste Mitstreiter ist hierbei Klaus Voormann, der für dieses Box-Set eine abgewandelte Illustration seines legendären „Revolver“-Covermotivs gestaltete. Vervollständigt wird das Box-Set durch zwei Bücher. Rund 700 Seiten verteilen sich auf ein Lesebuch und eine Diskografie.

Das in zwei Abschnitte aufgeteilte Lesebuch ist interessant strukturiert, da es keiner Chronologie folgt. Natürlich gibt es aber auch hier eine Einführung, und bereits diese trägt eine Überschrift, die – sofern man sich dann auf Rebells kritischen Ansatz eingestellt hat – durchaus schon als Provokation interpretiert werden kann: „Paul als der Größte“, gefolgt von Untertiteln wie „Mamas Lieblingsschwiegersohn, everybody’s darling, Haferschleimbubi oder ernstzunehmender Künstler?“, „Wie eitel ist er?“ oder auch „Der nette Paul, ein herrschsüchtiges Ekel?“. Hier wird mächtig aufgefahren, aber es ist nicht wirklich weit hergeholt. Es gibt kaum einen Superstar, der wie Paul McCartney in der Öffentlichkeit so vielen Vorurteilen ausgesetzt ist. Manchmal selbst verschuldet, aber oft auch sehr pauschal und unbegründet („Paul-Bashing – beliebte Kritikerbeschäftigung in den Siebzigern“). Dies vergisst Volker Rebell bei aller Kritik nicht zu betonen. Es folgen 32 Kapitel, die stets mit „Paul und …“ sowie „Paul als …“ betitelt sind. Hier werden die unterschiedlichsten Aspekte beleuchtet, die die Persönlichkeit Paul McCartneys ausmachen: Sein Verhältnis zu den anderen (Ex-)Beatles, zu Kollaborateuren wie Denny Laine, Elvis Costello oder Youth, seine Frauen, seine Fähigkeiten als Songschreiber und Instrumentalist, seine breit gefächerte kreative Palette (Pop- & Rock, Literatur, Kunst, Film, Klassik) sowie seine charakterlichen Schwachstellen („Paul der Dominator“, „Paul und die eitle Selbstbezogenheit“, „Paul und Kritik“ usw.). Es gibt sogar ein gesondertes Kapitel, das Paul McCartneys Begeisterung für die Hanfpflanze behandelt. Gerade dieser Punkt taucht im Leseuch und auch im Hörbuch ausgesprochen oft auf. Der kiffende Paul hier, der kiffende Paul da. Superkiffer Paul (und Linda). Hier hat es der Autor vielleicht etwas überzogen. Im zweiten Teil enthält das Lesebuch eine erweiterte Fassung des Hörbuch-Textes. Auf diesen knapp 100 Seiten geht Rebell konkreter auf bestimmte Songs ein, die auf den Hörbuch-CDs in unterschiedlichen Interpretationen vertreten sind.

Die Diskographie kommt auf über 400 Seiten, und selbst die reichen Volker Rebell nicht aus, um Paul McCartney angemessen zu würdigen. Dieses Buch lässt daher auch schon auf dem Umschlag erkennen, dass es sich um Teil 1 handelt. Demenstprechend endet dieser Teil im Jahr 1990 mit dem Album „Tripping The Live Fantastic“. Gleichzeitig gibt es mit der Leseprobe zum „Daumier’s Law“-Soundtrack schon einen Ausblick auf den zweiten Teil der Diskographie, der 2018 erscheinen und auch alle Aufnahmen von 1990 bis dahin berücksichtigen soll. Dies ist sicherlich auch noch davon abhängig, wann genau Paul McCartneys nächstes Studioalbum erscheint, mit dem ebenfalls 2018 gerechnet wird. Damit aber nicht genug: 2018 soll darüber hinaus noch ein vergleichbares John Lennon-Mediabook publiziert werden. Auch darauf wird hingewiesen.

Der erste Teil der Paul McCartney-Diskographie lässt von „Family Way“ bis „Tripping The Live Fantastic“ nichts aus. Sogar Bootlegs wie „The Backyard Tapes“, „War & Peace“, „Cold Cuts“, Various Artists-Alben (wie z.B. die Concerts for the People of Kampuchea- oder Knebworth 1990-Konzertmitschnitte) und auch Promos („Rocks“) runden das Gesamtbild ab. Die Singles und Alben werden in vielerlei Hinsicht kompetent besprochen und bewertet. Natürlich subjektiv (wie sollte es auch anders sein), aber stets auf guter Recherche fußend. Nur ganz selten mogeln sich Fehlinformationen in den Text, so zum Beispiel in der Besprechung des „Venus And Mars“-Albums. Hier beschreibt der Autor, dass sich Paul McCartney und George Harrison bei der Party zum Abschluss der Wings-Aufnahmen zum ersten Mal seit dem Ende der Beatles wiedersahen. Dies war wohl das erste öffentliche Wiedersehen, doch sicherlich nicht das erste überhaupt. So trafen sie zumindest schon am 19. Dezember 1974 zur Unterzeichung der Beendigung der vertraglichen Partnerschaft der ehemaligen Beatles zusammen (Martin Scorseses Harrison-Dokumentation „Living In The Material World“ zeigt sogar Filmaufnahmen davon). Doch dies sind nur Kleinigkeiten, die die durchgängig hohe Qualität nicht effektiv beeinträchtigen.

In gut sechseinhalb Stunden fasst das Hörbuch mit seinen fünf CDs das Leben und Werk McCartneys zusammen. Dass Volker Rebell auch hier nicht chronologisch, sondern nach unterschiedlichen Themen und Aspekten vorgeht, macht das Hörbuch spannend und abwechslungsreich. Wie auch beim gedruckten Wort wechseln sich Lobpreisungen und scharfe Kritik ab. Gleich zu Beginn verkündet Volker Rebell, dass „wir [McCartney] mit diesem Hörbuch feiern wollen“, um nur wenig später über „Listen To What The Man Said“ zu sagen, dass dies ein Song sei, „den wir besser nicht hören“. „Dance Tonight“ sei darüber hinaus „vorsichtig angemerkt an Beschränktheit und Schlichtheit in der Harmonik, Melodik und Textlogik kaum zu unterbieten“. Doch ausgerechnet Songs wie „Ob-La-Di, Ob-Ob-La-Da“ oder „Dance Tonight“ haben sich Rebell und seine Mitstreiter als musikalisches Begleitmaterial des Hörbuchs ausgesucht. Hier wäre etwas mehr Mut zu unbekannteren Perlen in McCartneys Oevre gut gewesen.

Neben der kritischen Grundhaltung kann die im Hörbuch enthaltene Musik unter Umständen für interessierte McCartney-Fans ein Reizthema darstellen. 43 Songs sind zu hören, allerdings kein einziger in Originalaufnahme. Auch das muss man gewissermaßen aushalten und auch Verständnis dafür aufbringen, dass es rechtlich nicht möglich ist, eine solche Masse an Originalsongs zur Verfügung gestellt zu bekommen. Der Autor beabsichtigt, mit den Coverversionen besondere Nuancen, Stärken oder bestimmte Charakteristika der Kompositionen herauszuarbeiten und zu veranschaulichen. Dies gelingt unterschiedlich gut. Am originalgetreuesten werden die Songs von der Lonely Hearts Club Band dargeboten. Das ist teilweise beeindruckend, aber manchmal etwas zu brav. Forscher und moderner gehen The Batles zu Werke. Ihre kernigen Darbietungen  von „Highway“ oder auch das verblüffend hart rockende „Hope of Deliverance“ lassen aufhorchen. Am originellsten sind die Songs in der Interpretation von Paul Vincent, der „Things We Said Today“ in der Art von „Sixteen Tons“ bzw. „Fever“ singt oder „I Saw Her Standing There“ als schmachtenden Tango mit „Besame Mucho“-Intro. Es ist ein schwieriges Thema, aber vielleicht wären ausnahmslos eigenständige Interpretationen (auch die zwei Coverversionen von Matthias Frey und Volker Rebell gehören dazu) eine überzeugendere Lösung gewesen. Nicht alle (Hardcore-)Fans, die für „YESTERDAY & Heute: Paul McCartney“ 120 Euro ausgeben, werden von 1:1-Interpretationen begeistert sein.

Auch das Hörbuch enthält ein paar Recherche-Fehler. Auffällig ist beispielsweise das falsche Todesdatum Linda McCartneys und das auch in den sozialen Netzwerken immer wieder auftauchende angebliche Lennon-Zitat „Ringo wasn’t even the best drummer in The Beatles“. Beatles-Chronist Mark Lewisohn hat längst nachgewiesen, dass John Lennon diesen Satz niemals äußerte. Wenn über dieses Mediabook gesprochen wird, sollte auf keinen Fall versäumt werden, dass es nicht nur um Hintergrundinformationen oder Textanalyse (hier wird gelegentlich etwas überinterpretiert) der jeweiligen Aufnahme geht, sondern auch um musiktheoretische Ausführungen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Volker Rebell spielte schon in den Sechziger Jahren in seiner hessischen Heimat in einer Rockband.  Viele Songs in „YESTERDAY & Heute: Paul McCartney“ werden auf ihre Akkordstruktur und Harmonik hin untersucht. Manche Leser/Hörer werden daher von Passagen wie „Erweiterte Kadenzharmonik“ („I Will“), dem „überraschenden cis-Moll Septimenakkord beim Übergang“ (Jet“) oder auch – nicht explizit musiktheoretisch – von „Emphase und Katharse“ (besser: Katharsis, Anm. d. Verf.)  („Hey Jude“) möglicherweise überfordert sein.

Zu kurz kommt die gegenwärtige Rezeption von Paul McCartneys Werk. Was früher zum o.g. McCartney-Bashing führte, wird heute oftmals ganz anders, viel positiver beurteilt. Exemplarisch seien hier die Alben „McCartney“, „Ram“ und „McCartney II“ genannt. Volker Rebell beschränkt sich vorwiegend auf die zeitgenössische Kritik. Wörtlich hält er fest, dass „McCartney also Mitte der Siebziger Jahre von Erfolg zu Erfolg eilte, allerdings vornehmlich in kommerzieller Hinsicht“ und dass „Fachleute (…) als einziges auch künstlerisch überzeugendes Album nur das Nr. 1-Album Band On The Run vom Dezember 1973 sehen“. Dies wird mittlerweile ganz und gar nicht mehr so betrachtet. Wenn Rebell ein bisschen zu oft auf McCartneys „Hang zu Kitsch bzw. Romantik“ herumreitet und sogar von „Schwachsinnsliedern“ („All Together Now“) oder dem „Harrison-Langweiler ‚Blue Jay Way'“ spricht, ist dies gewiss eine in ihrer Ausprägung subjektive Sichtweise. Vom Grundsatz her ist vieles jedoch nicht falsch und meistens gelingt es dem Autor auch, die negativen Aspekte wieder zu relativieren.

Ob man 120 Euro für „YESTERDAY & Heute: Paul McCartney“ hinblättern möchte, muss jeder für sich entscheiden. Ein derartiger Betrag kommt allerdings schnell zusammen, wenn man an die teuren Studiokosten für die Produktion der 43 Songs, GEMA-Gebühren, Herstellungskosten, Klaus Voormanns Honorar und viele andere Aspekte denkt, mit denen sich die Major-Labels oder entsprechende Verlage nicht in der Form herumschlagen müssen. Fazit: „YESTERDAY & Heute: Paul McCartney“ ist eine beispiellose Veröffentlichung, die es so auf dem deutschsprachigen Markt noch nicht gegeben hat. Es wäre fatal, würde das Werk des größen noch lebenden Komponisten des 20. Jahrhunderts nur durch eine unkritische Fanbrille betrachtet werden. Volker Rebell tut dies glücklicherweise nicht. Man mag über diese oder jene Sichtweise unterschiedlicher Meinung sein, aber unterm Strich ist „YESTERDAY & Heute: Paul McCartney“ eine gut recherchierte, kritische, kurzweilige und unglaublich viele Facetten abdeckende respektvolle Hommage. A labour of love. ex-beatles.de zieht den Hut!

„YESTERDAY & Heute: Paul McCartney“ ist über den Buchhandel oder auch direkt über Volker Rebell zu beziehen.

 

3 Antworten zu YESTERDAY & Heute: Paul McCartney

  1. Sehr gut dargestellt und beschrieben. Ich glaube dass das ein Muss ist für Fans der Fab-Four. In diesem Fall speziell für die MACCA Fans.

  2. Andi sagt:

    Ich hab nun, nachdem das Werk ja schon einige Jahre auf den Buckel hat, die Möglichkeit gehabt mal reinzulesen und zu hören.
    Es kommt wirklich nach jedem Wohlwollen sofort eine kritische Anmerkung. Entweder an Pauls Musik, seinem Verhalten, oder dass er bis 2013 gern mal gekifft hat…
    Schwer auszuhalten, was mich auch davon abgebracht hat die Box letztendlich auch zu kaufen.
    Schade. Das Artwork aber finde ich sehr schön.

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