Let It Roll – Songs By George Harrison
Veröffentlicht: 12. Juni 2009
LP: Keine Veröffentlichung
CD: EMI/Capitol Parlophone 5 099996 501924
Titel:
Got My Mind Set On You / Give Me Love (Give Me Peace On Earth) / Ballad Of Sir Frankie Crisp (Let It Roll) / My Sweet Lord / While My Guitar Gently Weeps (Live) / All Things Must Pass / Any Road / This Is Love / All Those Years Ago / Marwa Blues / What Is Life / Rising Sun / When We Was Fab / Something (Live) / Blow Away / Cheer Down / Here Comes The Sun (Live) / I Don’t Want To Do It / Isn’t It A Pity
Das Jahr 2009 begann zunächst damit, dass George Harrisons Sohn Dhani mit der Veröffentlichung seines Debütalbums „You Are Here“ die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Zusammen mit seinem musikalischem Partner Oliver Hecks bildet er die Formation thenewno2 und absolvierte im Radio, Fernsehen und auf Konzertbühnen verschiedene Promotionauftritte. Doch fast zur gleichen Zeit stand der 2001 verstorbene Vater wieder im Mittelpunkt des medialen Interesses. Am 14. April erhielt der ehemalige Leadgitarrist der Beatles und anerkannte Solist seinen Stern auf dem Hollywood Walk Of Fame. An der Zeremonie nahmen neben Olivia und Dhani Harrison auch Paul McCartney, Tom Petty, Eric Idle, Jeff Lynne, Tom Hanks und weitere Prominenz teil. Am gleichen Tag – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – wurde die Veröffentlichung einer „Let It Roll“ genannten George Harrison-Retrospektive angekündigt. Als gute zwei Wochen später die Trackliste öffentlich wurde, löste diese unter den Fans eine lebhafte Debatte aus. Zwar sollte die Kompilation 19 Songs enthalten, doch Studioalben wie „Dark Horse“, „Extra Texture“, „Thirty Three & 1/3“ und „Gone Troppo“ blieben komplett unberücksichtigt. Statt dessen fügte man dieser Werkschau Harrisons drei Songs zu, die in diesen Versionen zwar vom „Concert For Bangla Desh“ (1971) stammten, jedoch noch zu Beatles-Zeiten verfasst und veröffentlicht wurden. Auch hegten nicht wenige Freunde der Musik Harrisons die Hoffnung, dass „Let It Roll“ mit einem Schmankerl aus dem Raritäten-Archiv des Ex-Beatles veredelt werden würde. Doch dazu später mehr.
Die vorliegende CD, die offenbar nicht als Schallplatte erscheinen wird, beginnt mit dem Song, der 1987 ein fulminantes Comeback für George Harrison einläutete: „Got My Mind Set On You“. Der neben „My Sweet Lord“ größte Hit Harrisons stammte aus der Feder von Rudy Clark, der in den frühen 60er Jahren für den Soulsänger James Ray Songs schrieb. „Got My Mind Set On You“ war alles andere als ein Hit, doch blieb stets im Gedächtnis Harrisons, der wie die anderen Beatles eine Vielzahl von Songs und musikalischen Stilrichtungen aufschnappte und verinnerlichte. Erst Harrisons originelle und frisch klingende Hit-Single machte den Song für die breite Mehrheit bekannt und das 1987er Album „Cloud Nine“ zum Megaseller. So steht es auch neben „All Things Must Pass“ (fünf Songs), „Brainwashed“ und „Concert For Bangla Desh“ (jeweils drei Songs) mit ebenfalls drei Titeln im Zentrum dieser Zusammenstellung. Diese 14 Kompositionen nehmen bereits gut drei Viertel des Albums ein, so dass es für einen Überblick aller Alben schon sehr eng wird. Doch lässt man dieses Manko außen vor, dann überzeugt „Let It Roll“ als harmonische Sammlung vieler Glanzlichter der musikalischen Karriere George Harrisons.
„Let It Roll“ stellt ungefähr vier Jahrzehnte nach dem Beatles-Split die dritte „Best Of“ George Harrisons dar. Und doch handelt es sich vom Ansatz her um drei grundverschiedene Alben. Während „The Best Of George Harrison“ schon 1975 erschien und zur Häfte aus dem Beatles-Material Harrisons bestand, konzentrierte sich „The Best Of Dark Horse“ auf die Jahre 1976 bis 1989. Insofern kann „Let It Roll“ mit Fug und Recht als erster „amtlicher“ Rückblick auf George Harrisons Solo-Schaffen betrachtet werden. George Harrisons Meisterwerk „All Things Must Pass“ wird völlig zu Recht mit fünf Titeln berücksichtigt. Man hat sogar fast das Gefühl, dass auch ein sechster und siebter Song aus dem 1970er Album – zumindest bei einer Doppel-CD – nicht ganz unberechtigt gewesen wäre. Doch auch die beiden großen Single-Hits „My Sweet Lord“ und „What Is Life“ sowie „Isn’t It A Pity“, „All Things Must Pass“ und „The Ballad Of Sir Frankie Crisp (Let It Roll)“ unterstreichen überzeugend die Bedeutung des ersten Harrison-Albums nach dem Beatles-Ende. Diese Würdigung allein mag für Harrison-Novizen Beweis genug sein, über welche Klasse George Harrison auch ohne die scheinbar übermächtigen Kollegen Lennon und McCartney verfügte.
„Let It Roll – Songs By George Harrison“ folgt keiner Chronologie. Die Lieder sind bunt gemischt und folgen einer gelungenen Dramaturgie. So fällt es überhaupt nicht negativ auf, wenn auf einen vergleichsweise modern klingenden Song wie „Got My Mind Set On You“ ein zartes, sentimentales Stück wie „Give Me Love (Give Me Peace On Earth)“ folgt. Überraschend auch der fließende Übergang des Beatles-Tributs „When We Was Fab“ (1987) in die 1971er Liveversion von „Something“ – George Harrisons erste Single-A-Seite für die Beatles (1969). Aus der Spätphase der Beatles, die gleichzeitig Harrisons künstlerische Emanzipation einläutete, stammen auch „While My Guitar Gently Weeps“ (mit dem aufgrund falscher Gitarren-Wahl wenig psychedelisch klingen Clapton-Solo) und „Here Comes The Sun“ – hier als sparsames Duett zweier akustischer Gitarren.
Das ein Jahr nach Harrisons Tod erschienene Album „Brainwashed“ ist durch „Rising Sun“, die an die Traveling Wilburys erinnernde Komposition „Any Road“ und durch das wohl schönste Instrumental Harrisons „Marwa Blues“ vertreten. Kurz vor und nach der Ermordung John Lennons hatte George Harrison zwei recht solide Hits: das fröhliche „Blow Away“ und das Lennon-Tribut „All Those Years Ago“ – beide sind auf „Let It Roll“ enthalten. Zu guter Letzt sind noch zwei Songs zu nennen, die auf keinem Harrison-Studioalbum zu finden sind. Zunächst „Cheer Down“, eine Gemeinschaftskomposition von George Harrison und Tom Petty. Dieser Song wurde speziell für den Film „Lethal Weapon 2“ (mit Mel Gibson und Danny Glover) geschrieben und war 1989 bereits auf „The Best Of Dark Horse“ enthalten. Anders „I Don’t Want To Do It“. Hier handelt es sich um einen von Bob Dylan geschriebenen Song, der zuvor nur auf dem Soundtrack der Klamotte „Porky’s Revenge“ zu finden war – insofern ein kleiner Trost für Harrison-Sammler, die von „Let It Roll“ auch eine kleine Überraschung erwarteten. Die Betonung liegt auf „klein“, denn „Let It Roll“ enthält leider nicht die interessantere Version mit dem Slidegitarren-Overdub, die auf einigen Promo-Singles erschien, sondern die normale „Porky’s“ Soundtrack-Fassung. Der Song selbst wurde von George Harrison bereits 1970 als Demo aufgenommen. Vierzehn Jahre später ließ er sich von dem befreundeten Gitarristen Dave Edmunds überreden, einen Song für den Soundtrack von „Porky’s Revenge“ beizusteuern. Ein eher ungewöhnliches Vehikel für einen Harrison-Beitrag, doch der Ex-Beatle nahm mithilfe von Jimmie Vaughan (Stevie Rays Bruder), dem renommierten Keyboarder Chuck Leavell sowie Kenny Aaronson (Bass) und Michael Shrieve (Schlagzeug) im November 1984 eine „saubere“ Version des Dylan-Stücks auf.
Man mag bemängeln, dass drei Beatles-Stücke auf einer solchen Sammlung unpassend sind. Schließlich hieß es im Pressetext, dass nun erstmals ein karriereumspannender Überblick vorläge. Tatsächlich hätten in den überschüssigen zwölf Minuten Spielzeit die eingangs erwähnten vernachlässigten Soloalben berücksichtigt werden können. Doch unter dem Strich bleibt ein gutes Album, das sich zwischen einer „Best Of “ und einer „Introduction to the music of George Harrison“ bewegt. Der Klang der CD ist überzeugend (neu abgemischt durch George Martins Sohn Giles) und auch rein äußerlich hat man sich viel Mühe gegeben. Das Cover der aufklappbaren Papphülle zeigt ein Porträt Harrisons aus den späten 60er Jahren. Innen befindet sich ein 28-seitiges Booklet mit einem erläuterenden langen Text des Musikers Warren Zanes (Ex-The Del Fuegos) und etlichen bisher unbekannten Fotos. Eine runde Sache, die am besten mit Tom Hanks Worten von der „Walk Of Fame“-Zeremonie beschrieben werden kann: „All things must pass, sure. But George is going to live forever.“
In den Charts war „Let It Roll – Songs By George Harrison“ in England mit einem vierten Platz recht erfolgreich. In Deutschland war allerdings Schmalhans Küchenmeister. Das Album stieg in der 27. Kalenderwoche in den offiziellen deutschen Album-Charts auf Platz 91 ein und entschwand in der folgenden Woche wieder jenseits der Top 100. Ein Umstand, der sicherlich auch auf die unzureichende Werbung durch George Harrisons Plattenfirma EMI/Capitol zurückzuführen ist.
Anspieltipps:
My Sweet Lord / When We Was Fab / Give Me Love (Give Me Peace On Earth) / Blow Away / Isn’t It A Pity
Bewertung:
+
Pressestimmen:
„Wenn man sich die 19 Songs dieser Best-of-Sammlung anhört, die alle drei Solodekaden abdecken, fällt besonders die Sensibilität, fast Zärtlichkeit dieses Künstlers auf.“ – kulturnews.de
„Jedes Stück auf dem Album ist ein Knüller. Die gesamte Platte klingt durchgängig und fast aus einem Guss.“ – germanbeat.info
Hallo Ansgar,
kannst du mir sagen, ob man die Slidegitarren-Overdub Version von I don´t want to do it noch irgendwo findet? Die Singles sind ja wahrscheinlich nicht mehr zu bekommen.
DANKE…! 😉
Gruß
Alexander
P.S.: Ich finde es sehr schade, dass hier gleich mehrere Alben einfach ignoriert werden und nicht mal durch einen Song vertreten sind. Extra Texture hätte es z.B. mehr als verdient!
So sieht’s aus, Alexander: Diese Version gibt es offiziell leider nicht, schon gar nicht auf CD. Und was die Zusammenstellung betrifft, so teilt „Let It Roll“ das Schicksal der meisten Ex-Beatles-Best Of-Alben. Auch mit „Wingspan“ (Stand 2001, eigentlich auch schon überholt) kann man nicht zufrieden sein, da viele musikalische Glanzlichter einfach unberücksichtigt bleiben. Bei „Photograph: The Very Best Of Ringo Starr“ sind auch zu viele gute Songs nicht enthalten, die Ringo seit „Time Takes Time“ gemacht hat. Denn gute Songs gibt es durchaus, auch wenn die letzten Alben in der Summe fast bedenklich schwach waren. Lediglich „Working Class Hero: The Definitive Lennon“ ist eine Zusammenstellung, die man kaum besser machen kann.
Viele Grüße,
Ansgar