1988 – „Imagine – Original Soundtrack“

Imagine – Original Soundtrack (OST)

Music From The Original Motion Picture

Veröffentlicht:  10. Oktober 1988
LP: EMI/Parlophone 164 – 7 91321 1 (Deutschland)
CD: Capitol CDP 7 90803 2

Titel:
Real Love / Twist And Shout / Help! / In My Life / Strawberry Fields Forever / A Day In The Life / Revolution / The Ballad Of John & Yoko / Julia / Don’t Let Me Down / Give Peace A Chance / How? / Imagine (Rehearsal) / God / Mother / Stand By Me / Jealous Guy / Woman / Beautiful Boy / (Just Like) Starting Over / Imagine

1988 war ein Jahr, in dem ein Buch über John Lennon für Furore sorgte. Albert Goldman heißt der mittlerweile verstorbene amerikanische Autor, der zwar schon vorher ein „Enthüllungsbuch“ über Elvis Presley geschrieben hatte, aber mit der Veröffentlichung von „John Lennon – Ein Leben“ (Originaltitlel: „The Lives Of John Lennon“) einen weltweiten Aufschrei bei den Medien und vor allen Dingen bei den Fans heftige Entrüstung verursachte. Goldman beschrieb Lennon als bisexuell, hoffnungslos drogenabhängig, schizophren, antisemitisch, pädophil und maßgeblich verantwortlich für die Tötung eines Seemanns während der Hamburg-Periode der Beatles und auch mitverantwortlich für den Tod seines früheren besten Freundes und ersten Beatles-Bassisten Stuart Sutcliffe. Die Liste ließe sich problemlos fortführen. Wie auch immer, die renommierte „New York Review Of Books“ wetterte gegen Goldman und warf ihm nicht existente Recherche vor, der „Rolling Stone“ publizierte eine Karikatur, die ein Buch zeigt mit dem Titel „Imagined – by Albert Goldman“ und die irische Band U2 veröffentlichte auf ihrem „Rattle And Hum“-Album einen Song namens „God Part II“ (als eine Fortsetzung von Lennons „God“ zu verstehen), der folgende Zeilen enthält:

„Don’t believe in Goldman
His type is like a curse
Instant Karma’s gonna get him
If I don’t get him first.“

Selbst Paul McCartney, der in dem Buch in recht positivem Licht erscheint, schaltete sich damals in die Debatte ein und verurteilte Goldmans Werk. Yoko Ono, die im Buch noch schlechter als John Lennon wegkommt, antwortete ihrerseits noch im gleichen Jahr, indem sie ein filmisches Porträt ihres Mannes in Auftrag gab, das dann am 20. April 1989 auch in die deutschen Programmkinos kam. Auf diese Weise sollte das Andenken Lennons wieder ins rechte Licht gerückt werden – was auch ohne Zweifel gelang. Unter der Regie von Andrew Soltund dem Produzenten David L. Wolper entstand der bis heute monumentalste Dokumentarfilm über John Lennon. Mehr als 200 Stunden Bildmaterial wurden ausgewertet, darunter Privataufnahmen wie auch von Profis erstellte Filme. So sind z.B. etliche Ausschnitte aus dem 1971er Film „Imagine“ (nicht zu verwechseln mit Andrew Solts „Imagine“) enthalten, der seinerzeit mit einer Aneinanderreihung von Musikvideos das gleichnamige Erfolgsalbum Lennons bebilderte. Zu den eindrucksvollsten Passagen gehört sicherlich der Einblick in den Schaffensprozess der „Imagine“-LP. Dazu gehört, dass man in einer Szene folgendes sieht: ein leicht verwirrten Fan, der sich Zutritt zum Lennon-Grundstück Tittenhurst Park verschaffte, wird von John Lennon auf einfühlsame Weise zur Rede gestellt. Der verstört wirkende junge Mann möchte von Lennon die „Abbey Road“-Zeilen „Boy, you’re gonna carry that weight a long time“ erklärt haben. Lennon sagt, dass dieser Song von Paul McCartney geschrieben wurde und rät dazu, Songs nicht zu sehr mit dem eigenen Leben zu verwechseln. Da dieser Fan, durchaus eine beabsichtigte Parallele zur fatalen Begegnung Lennons mit seinem Mörder im Dezember 1980, nicht nur verstört, sondern aus ausgehungert aussieht, wird dieser zum gemeinsamen Frühstück mit seinem Idol ins Haus gebeten.

Ein solcher Film braucht logischerweise Musik. Der Soundtrack enthält nicht alle Titel, die im Film vorkommen, aber immerhin eine Sammlung von zwanzig der bekanntesten Lennon-Songs: 50% Beatles-Nummern, 50% aus der Solo-Phase. Die Auswahl der Beatles-Lieder von einfachsten Stücken wie „Twist And Shout“ bis zu komplexen Werken wie „A Day In The Life“ zeigt, welch unglaubliche künstlerische Entwicklung die Beatles und damit natürlich auch John Lennon gemacht haben. Die auf dem Soundtrack vertretenen Songs kann man durchaus als repräsentatives Bild des Songschreibers John Lennon bezeichnen.

Der im Mittelpunkt stehende Song „Imagine“ ist gleich in zwei Fassungen vertreten. Zunächst durch einen kurzen Probelauf, bei dem sich Lennon selbst am Klavier begleitet um seinen Mitmusikern einen ersten Eindruck zu vermitteln, bevor es an die Aufnahme geht und schließlich die allseits bekannte Studioaufnahme. Unveröffentlicht war bis dahin ein schöner Song namens „Real Love“, der während der Eröffnungsszene des Films erklingt. Es handelt sich hier um Take 6 eines Demos auf akustischer Gitarre, das Lennon höchstwahrscheinlich während des Bermuda-Urlaubs 1980 aufnahm. Diese Komposition, die in einem frühen Stadium „Girls And Boys“ hieß, gab Yoko Ono Jahre später in einer Piano-Demoversion an Paul McCartney weiter, damit dieser den Song, komplettiert durch George Harrison und Ringo Starr, für die Beatles-„Anthology“ (1995-96) zu einem Beatles „Original“ machen konnte.

„Imagine – Music From The Original Motion Picture“ ist eine hörenswerte Zusammenstellung von Lennon-Songs als Beatle und als Solist. Dennoch muss sie sich unter den zahlreichen Lennon-Samplern der „Working Class Hero“-Compilation (2005) geschlagen geben. Der Film zum Soundtrack ist zugegebenermaßen ein Blick durch Yoko Onos Brille, doch trotz aller Rührseligkeit bleibt er ein höchstinteressantes Dokument Zeit- und Kulturgeschichte, das Lennon auch in all seiner Ambivalenz zeigt. Etwas unpassend erscheint lediglich der in der Mordnacht angesiedelte Schluss: In einer nachgestellten Szene sieht man Lennons blutbeschmierte Brille in Zeitlupe durch die Luft fliegen und auf dem Boden zerschellen. Nach aller Authentizität, durch die der Film geprägt ist (es gibt keinen Kommentator: Neben O-Tönen von Yoko Ono, Sean Ono Lennon, Cynthia und Julian Lennon u.a. erzählt John Lennon in einer Montage aus diversen Interviews seine Geschichte selbst), wirkt dies aufgesetzt und deplatziert.

Anspieltipps:

Uneingeschränkt empfehlenswert

Bewertung:

Pressestimmen:

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